Montag, 7. Dezember 2020

[ Buchgeflüster ] - Wir müssen über Kevin reden

Wir müssen über Kevin reden 
von Lionel Shriver

Nach über einem Jahr nach dem Donnerstag hält Eva Khatchadourian das Schweigen nicht mehr aus. Sie schreibt ihrem Mann einen Brief und spricht über jene Ereignisse, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sie will niemanden beschuldigen, sonder versucht nur, herauszufinden wie es dazu kommen konnte. Was sie eine schlechte Frau? Eine schlechte Mutter? Oder wurde ihre Sohn einfach mit dem Plan geboren, am 8. April 1999 mehrer Leute in seiner Schule zu ermorden? 


Hier kommt jetzt gleich mal das Fazit zum Buch. Weiter unten findet ihr dann Gedanken, die nicht ganz spoilerfrei sind, vor allem der letzte Absatz.

Fazit
Anfangs fiel mir das Lesen irgendwie ein bisschen schwer. Ich bin mir nicht sicher, ob es am Stil lag oder ob vielleicht äußere Einflüsse dafür verantwortlich waren. Nach einem Weilchen ging's dann aber richtig flott weiter und weiter und immer weiter. 
Wir müssen über Kevin reden war endlich mal wieder ein Buch, welches mich völlig eingenommen hat. Sowas brauchte ich wirklich mal wieder. 
Schwer vorstellbar ist für mich nur, dass ein Kind gleich von Geburt an eine Aversion gegen die eigene Mutter hat. War mir ein bisschen zu extrem, aber wer weiß, vielleicht ist's ja möglich.
Das Buch ist jedenfalls eine heftige Achterbahnfahrt, die bis zum Ende Vollgas gibt. Vor allem für (werdende) Eltern kann es erschreckend/abschreckend sein. 

Wir müssen über Kevin reden bekommt von mir 5 von 5 Glasaugen.

"Ich musste oft an deine Bemerkung damals im Riverside Park denken, bevor wir Eltern wurden: ≫Wenigstens ist ein Kind eine Antwort auf die Große Frage.≪
[....]
Doch wenn es ohne Kind keinen Grund gibt zu leben, wie konnte es mit Kind einen Grund geben? Ein Leben mit einem darauffolgenden Leben zu beantworten heißt schlicht, die Last der Sinngebung auf die nächste Generation zu schieben [....]"
–Lionel Shriver, Wir müssen über Kevin reden, S.360f.


Gedanken
Seite 0 bis 248
Gleich am Anfang hat mich das Buch überrascht. Ich habe nicht erwartet, dass es ein Briefroman ist. Ich hab aber noch viel weniger erwartet, dass Kevin schon 15 ist und, dass die Katastrophe, der Donnerstag, schon in der Vergangenheit liegt. 
Liegt vor allem daran, dass bei den Buchumschlägen, die ich kenne, immer eine kleiner Junge zu sehen ist.
Aber okay, Eva erzählt eh all die Jahre mit Kevin von Anfang an.

Nun zur Geschichte: die ersten 100 Seiten haben mir mal wieder bestätigt, dass Kinderkriegen etwas ist, auf das ich liebend gern verzichten kann. 
Davon aber mal abgesehen, ist Eva ein verdammt schwieriger Charakter. Einerseits will man mit ihr mitfühlen, aber dann verhält sie sich wieder absolut widerlich. Ich werde einfach nicht schlau aus ihr: möchte sie nun wieder ein gutes Verhältnis zu ihrem Mann aufbauen oder ihm nur Vorwürfe machen? Fühlt sie sich schuldig? Ist ihr mittlerweile alles gleichgültig? 
Schwer zu sagen. Klar ist jedenfalls, dass es grässlich ist, dass sie für Kevins Tat gerade stehen muss und verabscheut wird. Mir egal, ob er noch minderjährig ist. Sie hat niemanden umgebracht. 
Außerdem war sein Vater viel zu gutmütig und hat ihn nur vergöttert.
    Sowieso interessant, dass immer nur von einer vernachlässigenden Mutter/Rabenmutter die Rede ist, obwohl der Mann meistens nicht zuhause ist, da er ja das Geld verdienen "muss". Im Buch wäre es auch leicht andersrum möglich gewesen und Eva spricht das auch an, aber hey, wenn mit einem Kind irgendwas nicht stimmt, und es kein offensichtlicher Missbrauchsfall ist, schauen wir doch zuerst einmal, was die Frau falsch gemacht hat, denn eins ist klar: sie ist dafür verantwortlich. *kotz*

Seite 249 bis Ende
Ja okay, Kevins Vater ist ein absoluter Lappen, mieser Ehemann und war gefährlich verblendet. Idiot. Mich würde es nicht wundern, wenn der letzte Brief ein Abschiedsbrief ist.
Ich muss aber auch zugeben, dass Eva ebenfalls nicht besser gehandelt hat. Eigentlich sogar schlechter, weil sie sich ja sehr sicher war, dass mit Kevin etwas nicht in Ordnung ist.



SPOILER


(letzten ~50 Seiten)
Ach du.... okay. 
Evas Verhalten, ihre absolut offene und manchmal gehässige Art, ergibt jetzt viel mehr Sinn. Und auch, warum nur sie verklagt wurde. 
Relativ am Anfang kam mir mal der Gedanke, dass Franklin tot sein könnte, das hab ich dann aber schnell wieder verworfen....
Ich war tatsächlich schockiert. Generell die letzten zwei Briefe.... Die haben's nochmal so richtig in sich.
Vom Standpunkt einer Person, die kinderlos bleiben möchte, kann das Ende unglaubwürdig wirken, aber ich kann mich halt unmöglich in Eva hineinversetzen. Eigentlich kann das niemand, wenn man sowas nicht erleben musste. Man kann sich nur fragen, ob das Band zum eigenen Kind das alles überstehen kann....


juhk. d

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