Hallo!
Wie wir alle wissen, gehört das Reden nicht zu meinen Stärken, daher habe ich mich dazu entschieden, euch das Folgende schriftlich mitzuteilen.
Ich hoffe, dass ich euch dadurch diese Themen besser erklären kann, mich selbst besser erkläre.
Worum geht es also?
Ich bin asexuell und nicht-binär trans.
Bevor ich euch nun versuche zu erkläre, was das genau bedeutet, möchte ich noch zwei Dinge klarstellen:
- Es ist okay, wenn ihr am Ende aus dem Ganzen nicht ganz schlau werdet. Bei Unsicherheiten oder sonst was, könnt ihr gerne nachfragen und ich versuche, es euch besser zu erklären (oder leite Websites/Videos weiter).
Ich bitte nur darum, dass ihr ein paar Sachen beachtet, und um Verständnis. - Die oben genannten Tatsachen ändern nichts an der Person, die ich bin, schon ZZ Jahre lang war. Vergesst das bitte nicht.
Fangen wir an.
Nıchola ist asexuell. Okay...?
Ganz kurz gesagt: asexuelle Personen haben kein oder kaum Verlangen nach Sex. Die Betonung liegt auf "Verlangen", weil es nicht dasselbe wie Enthaltsamkeit oder ähnliches ist.
Dies hatte ich schon lange vermutet, jedoch hat es ein Weilchen gedauert, es zu akzeptieren. Sogar bei so einer Lächerlichkeit kann es zu einem Leidensdruck kommen und der war und ist definitiv da. Allgemein will ich nicht über Sex reden, davon hören, in jedem dritten Film sehen, detailliert davon lesen.... Das ist jedoch kaum möglich, weil dieses Thema immer präsent ist. In größeren Freundesgruppen kommt es früher oder später immer vor, und ich möchte mich jedes Mal am liebsten verkriechen. Stattdessen werde ich einfach noch ruhiger (ja, das ist möglich). Man wird einfach immer mit der Tatsache konfrontiert, dass man anders ist, denn nur ein Bruchteil der Menschheit ist asexuell. Dennoch existieren wir.
Tatsächlich können auch asexuelle Personen Beziehungen führen, denn es gibt einen Unterschied zwischen sexueller und romantischer Anziehung.
Damit wäre der erste Punkt auch schon abgeschlossen. War doch gar nicht so schlimm, oder?
Kommen wir nun zum komplizierteren Teil.
Nıchola ist nicht-binär trans. Was?
Fangen wir mit dem Begriff "binär" an: Der Großteil der Gesellschaft geht von einer binären Geschlechtereinteilung aus: weiblich und männlich. Die meisten Menschen identifizieren sich entweder mit dem einen oder dem anderen.
Nun gibt es jedoch Menschen, auf die das nicht zutrifft. Sie fühlen sich zu keiner der zwei Kategorien zugehörig: sie sind nicht-binär. Es kann auch sein, dass deren Empfinden mal mehr in die eine Richtung, mal mehr in die andere Richtung geht.
Nicht-binäre Personen fallen in das Transgender-Spektrum hinein: sie sind auch trans.
Das Begriff „trans“ (transgender) wird für Personen verwendet, deren Geschlechtsidentität nicht mit jenem Geschlecht übereinstimmt, welches ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Die soziale Rolle also, die ihnen aufgrund von äußerlichen Merkmalen zugewiesen wird, entspricht nicht deren eigenem Empfinden.
Das Gegenteil von „trans“ ist „cis“ (cisgender): die Geschlechtsidentität stimmt mit dem zugewiesenen Geschlecht überein.
„trans“ und „cis“ sind Adjektive. Es gibt im binären Bereich trans und cis Frauen, und trans und cis Männer. Wie auch jedes andere Adjektiv, kann man diese weglassen, daher: trans (und cis) Männer sind Männer und trans (und cis) Frauen sind Frauen. Punkt. Da gibt es nichts zu diskutieren.
Was bedeutet das nun ganz konkret in meinem Fall?
Ich bin kein Mann. Diese falsche Eigenschaft, das Mann-/Männlichsein, wurde mir bei der Geburt (bzw. sogar schon davor) zugewiesen und damit gingen gewisse Erwartungshaltungen von allen Leuten, die dieser Meinung waren, einher. Schon von Anfang an wird man in eine Schublade gepackt und dementsprechend behandelt, erzogen, sozialisiert. Glücklicherweise wurde ich nie allzu stark in die männliche Schublade gesteckt. Vielen Dank! Dennoch gab und gibt es immer wieder Momente, in denen ich zu stark aus dem Männlichkeitsbild ausbreche (zum Beispiel, wenn ich Interesse für Gegenstände zeige, deren Farbe/Muster anscheinend nicht zu Männern passt.... Rosa ist nur eine Farbe und Blumenmuster sind schön. Wo steckt darin ein Geschlecht?), und dann kommen gewisse Kommentare, die mich in die männliche Schublade quetschen. Etwa "das ist nicht besonders männlich" oder "was bist du denn für ein Mann?“ Vor allem diese Frage, was für ein Mann ich denn sei, gibt mir Bestätigung darin, dass ich kein Mann bin, zeigt mir jedoch, dass ich als solcher gesehen werde.
Ich fühle mich mit den Bezeichnungen Mann, männlich, Herr und so weiter, und dem Bild, welches durch diese Begriffe erzeugt wird, nicht wohl. Es entspricht mir einfach nicht.
Ich sehe und fühle mich jedoch auch nicht als Frau, wobei es mir lieber wäre, wenn ich in der Öffentlichkeit als solche wahrgenommen werden würde. Bestenfalls sehen mich Leute und können mich weder in die eine Schublade noch in die andere einordnen. Ich will als androgyne Person wahrgenommen werden. (Androgyn: „männliche“ und „weibliche“ Merkmale aufweisend, in sich vereinigend). Dafür bedarf es einer feminineren Erscheinungsform.
Um dieses Ziel zu erreichen (oder zumindest öffentlich nicht mehr als Mann angesehen zu werden), gibt es vor allem zwei Sachen, die ich tun kann.
- Kleidung: ich ziehe an, was ich möchte. Egal ob Rock, Hose, Hemd, Kleid, Bluse, Shirt....
- HET (Hormonersatztherapie): ich möchte weniger Testosteron und mehr Östrogen.
Seit Frühling 2021 trage ich regelmäßig Nagellack. Das ist etwas, das ich schon jahrelang machen wollte, mich jedoch nie getraut habe. Jetzt mache ich es schon mehrere Monate, habe aber noch immer Angst vor Zurückweisungen aufgrund der Tatsache, dass ich als vermeintlicher Mann Farbe auf meinen Nägeln habe. Mehr ist es nicht! Und dennoch gibt es Leute, die damit nicht klarkommen…. Ich bin froh, dass es bei euch fast kommentarlos akzeptiert wurde. Vielen Dank.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie befreiend es ist, ein bisschen Farbe auf meinen Nägeln zu haben, und zu wissen, dass es für die Leute in meiner Umgebung okay ist.
Auch der Wunsch anzuziehen, worauf ich Lust habe, besteht schon mehrere Jahre.
Mein Kleiderschrank hat sich seit letztem Jahr stark erweitert. Röcke, Blusen, Kleider und Hosen mit „weiblichen“ Mustern und Schnitten sind hinzugekommen. Ich war mit diesen Sachen auch schon in der Öffentlichkeit unterwegs. Vor allem in Wien sah ich die Möglichkeit, mich selbst auszuleben. Einerseits hatten meine Klassenkamerad*innen dort kein gefestigtes Bild von mir, und andererseits musste ich bei denen keine Angst haben, weil es ganz einfach akzeptiert wurde. Angst und Unsicherheiten waren dennoch da, da ich diese Kleidung nicht nur im Klassenzimmer getragen habe, sondern natürlich auch in der U-Bahn, beim Einkaufen, Spazierengehen, …. Ich habe zwar gewisse Blicke von fremden Personen bemerkt, wurde aber glücklicherweise nie angegriffen (weder verbal noch physisch), ganz im Gegenteil! Zweimal wurden mir von fremden Personen Komplimente gemacht. Das waren ungeahnte Glücksmomente, die mir Mut und Bestätigung darin gegeben haben, dass das richtig ist. (Bemerkung am Rande: ich will dennoch nicht in Wien lebe.)
Ich erwarte von euch keine Komplimente, wenn ich ihr mich mit einem Rock oder sonst was seht. Ich bitte nur um kommentarloses Akzeptieren.
Jetzt könnte man der Meinung sein, dass es doch reicht, wenn ich einfach die Kleidung anziehe, die ich gerne anziehen möchte und von meiner Umgebung akzeptiert werde. Leider reicht es eben nicht aus. Es gibt gewisse körperliche Eigenschaften, die mein Leben einschränken und gegen diese hilft nur die Hormonersatztherapie nachhaltig.
Vielleicht klingt das Folgende für euch jetzt völlig lächerlich, aber für mich ist es das definitiv nicht.
In erster Linie geht es mir um meine Behaarung.
Ja, Kleidung kann viel verstecken und sie ist auch ein gutes Hilfsmittel. Im Sommer wird es jedoch schwierig, alles zu bedecken, womit ich mich nicht wohl fühle. Es ist jedes Jahr eine Überwindung, auf kurze Hosen zu wechseln, und Dank meiner Beinbehaarung fühle ich mich nie wohl.
Manchmal möchte ich ein bestimmtes Kleidungsstück anziehen, tu das auch, sehe mich dann im Spiegel und muss es wieder ausziehen, weil es einfach nicht geht. Meistens liegt es an einem großen Ausschnitt, der zu viel von meiner Brust zeigt.
Eine Lösung dagegen wäre rasieren und das tue ich auch regelmäßig, nur um mich dann ganze zwei Tage wirklich wohl zu fühlen. Gut, dann ziehe ich eben andere Kleidung an, die diese Sachen nicht zeigt. Blöd nur, wenn es ein Tag ist, an dem ich solche Kleidung nicht anziehen möchte, weil es mir heute überhaupt nicht entspricht (gleich mehr dazu).
Was sich aber nicht verstecken lässt, ist mein Gesicht. Ich muss mir jeden zweiten Tag die Bartstoppeln wegrasieren, damit ich mich wohl genug fühle, um mit Menschen zu interagieren. Teilweise auch täglich…. und dennoch sehe ich immer diesen grauen Schleier, wenn ich in den Spiegel blicke.
Vorhin habe ich erwähnt, dass mir an manchen Tagen gewisse Kleidung nicht entspricht. Es gibt Tage, an denen ich mich eher feminin fühle, und das möchte ich dementsprechend an solchen Tagen auch nach außen tragen, um mich wohl zu fühlen, denn sonst werde ich den ganzen Tag das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt. Manchmal kann ich an solchen Tagen problemlos einen Rock oder eine Bluse anziehen. Manchmal jedoch hindert mich mein Körper daran. Manchmal die Angst vor Zurückweisungen.
Durch die HET (+Laserhaarentfernung) wird sich das ändern. Natürlich geht das nicht von einem Tag auf den anderen, sondern es ist ein langsamer Prozess. Ebenso werden sich andere Aspekte meines Körpers langsam ändern. Prinzipiell werde ich eine zweite Pubertät durchlaufen. Ehrlich gesagt wird es manche Veränderungen geben, die nicht zur Gänze erwünscht sind, ich sehe sie jedoch als harmlose Nebeneffekte, weil ich weiß, dass ich am Ende glücklicher sein werde.
Wie glücklich ich dann tatsächlich sein werde, hängt aber auch sehr stark von den Leuten in meinem Umfeld ab.
Nun komme ich noch zu formalen Veränderungen.
Mir ist es egal, welche Pronomen ihr verwendet, wenn ihr über mich spricht. Er/Ihm oder Sie/Ihr, sucht es euch aus. Im Englischen wäre es he/she/they. Ich sag's nur der Vollständigkeit halber. Meine Pronomen sind sie/dey (she/they). Danke.
Meinen Name werde ich auf Nıchola umändern lassen.
Die größere Veränderung wird der Personenstand sein. Es existieren zwar schon mehr Geschlechtseintragungen als weiblich und männlich, aber leider sind die gesetzlich für mich nicht möglich. Mit etwas Glück wird sich auch das irgendwann ändern, aber eben nur mit etwas Glück. Daher werde ich meinen Geschlechtseintrag von männlich auf weiblich ändern lassen. Ich kann noch nicht sagen, wann ich das machen werde, aber zuvor brauch ich erst einmal eine Diagnose. Ansonsten geht sowieso nichts.
Zuletzt möchte ich euch noch auf verschiedene Sachen hinweisen. die ihr nicht sagen/tun solltet.
1.) Kommt bitte nicht auf die Idee zu sagen „Er will eine Frau sein.“ Das ist auf sehr vielen Ebenen falsch und so eine Aussage ist für trans Personen verletzend, vor allem, wenn sie binär trans sind.
- Ich bin keine Frau. Auch kein Mann. Wenn ich eine (trans) Frau wäre, dann würde der Satz korrekt lauten: „Sie ist eine Frau.“ So einfach ist das. Trans Personen wissen sehr gut, welches Geschlecht sie haben und sie sind es auch. Völlig egal, was offizielle Papiere sagen oder wie ihr Körper aussehen mag.
- Dieses „will“ ist überaus problematisch, denn, wie schon gesagt: ein trans Mann ist ein Mann, eine trans Frau ist eine Frau und eine nicht-binäre Person ist nicht-binär. Von dieser Tatsache mal abgesehen, will keine Person trans sein.
Niemand wacht eines Tages auf und entscheidet sich, trans zu sein, weil es ja so lustig ist. Es ist keine Entscheidung und lustig ist es sowieso nicht. Für gewöhnlich ist es ein jahrelanger Prozess, bis man sich dem trans Sein bewusst wird und es selbst akzeptiert. Oftmals, weil es anders nicht mehr geht….
Je nachdem, welche Schritte man dann machen muss, um endlich man selbst zu sein
(für manche reicht es schon, wenn sie die soziale Transition machen [Personenstand-/Namensänderung, richtige Pronomen], andere lassen alle möglichen OPs machen, wiederum andere brauchen nur ein paar wenige OPs oder HET. Egal wie wenig/viel man machen lässt, man ist deswegen nicht weniger/mehr trans, nicht weniger/mehr Frau/Mann/Person),
muss man die eigene Identität vor anderen Leuten immer wieder rechtfertigen, sich selbst erklären, intimste Fragen beantworten, und denen glaubhaft machen, dass man tatsächlich trans ist.
Dann sieht man sich noch damit konfrontiert, dass es immer Leute geben wird, die dir deine Identität mit den dämlichsten „Argumenten“ absprechen wollen. Also im besten Fall machen sie nicht mehr….
Kurz gesagt: es macht keinen Spaß.
2.) Macht keine Fremdoutings.
Es kommt immer wieder vor, dass Personen eine trans Person im Vorfeld vor fremden Leuten outen wollen (zum Beispiel vor einem ersten Treffen). Vielleicht steckt ein guter Gedanke dahinter, aber es ist unnötig und unbedacht.
Dabei kommen dann nämlich so tolle Sachen heraus wie: „Hey, nur damit du’s weißt, YX heißt eigentlich [Deadname] und ist ein Mann, will aber eine Frau sein. Also rede ihn bitte mit weiblichen Formen an.“
Warum sollte das eine Information sein, die andere Leute wissen müssen? Das kann dazu führen, dass die trans Person mit den falschen Pronomen (-> misgendering) und mit dem falschen Namen (-> deadnaming) angesprochen wird. Und falls die trans Person schon ein gutes Passing hätte, also von fremden Leuten als cis Person wahrgenommen wird, wird das dadurch zerstört.
Niemand hat das Recht, eine trans Person zu outen!
Keine trans Person möchte, dass neue Leute dies wissen. Und falls doch, sagen sie es selbst.
Falls ihr erfährt, dass eine Person trans ist, fragt nicht nach dem Deadname. Wieder: warum soll das eine wissenswerte Information sein?
3.) Ich will auch, dass ihr versteht, dass trans Personen keinem stereotypischen Bild entsprechen müssen. Nun.... leider müssen sie das manchmal schon, um zum Beispiel von Therapeutin*innen positiv bewertet zu werden. Aber prinzipiell sollte von keiner Person ein bestimmtes Aussehen, Verhalten, bestimmte Charaktereigenschaften oder was auch immer verlangt werden. Die Welt besteht nicht nur aus Schwarz und Weiß.
Man darf sich präsentieren, wie man will, und ist dennoch eine Frau, ein Mann oder einfach eine Person.
Also sagt bitte keine Sachen wie:
„Das ist nicht besonders männlich/weiblich“
„Das passt aber nicht zu einer Frau/einem Mann.“
„Heute siehst du sehr männlich/weiblich aus!“
„Daran erkennt man, dass du als Frau/Mann geboren wurdest bzw. ein Mann/eine Frau bist.“
„Er hat einen weiblichen Körper/Sie hat einen männlichen Körper.“
usw….
Das alles mag sich vielleicht umständlich oder sonst wie anhören, aber es geht hier um grundlegenden Respekt und um einen normalen menschlichen Umgang.
Hiermit hätte ich nun alles über mich gesagt, aber eine Neuigkeit habe ich noch. Vielleicht fragt sich jemand, wie ich denn jemals eine Person finden soll, die mit meiner Asexualität und dem trans Sein klar kommt.
Um das klarzustellen: Es spricht nichts dagegen, das Leben allein zu verbringen. Manche Menschen brauchen ganz einfach keine Person, die ihnen so nahesteht. Jahrelang war ich der Meinung, dass ich niemals eine Beziehung führen könnte (es gab einige Gründe dafür) und möchte, und hatte mich damit abgefunden.
Aber tatsächlich hat mich jemand gefunden und vom Gegenteil überzeugt: F- :)
Er unterstützt mich uneingeschränkt, gibt mir immer wieder Bestätigung und macht mich wirklich glücklich. Ohne ihn hätte ich nie die Kraft gefunden, diesen Brief hier zu schreiben, und würde noch immer versuchen, das Leben einer Person zu leben, die ich nicht bin.
Nun sind wir wirklich am Ende angelangt. Ich hoffe, dass wir es alle gut überstanden haben. Falls nicht…. denkt bitte darüber nach, worum es hier geht: um ein Bild von mir, welches in eure Welt passt? Oder darum, dass ich glücklich bin?
Lasst es ein bisschen auf euch wirken, bevor ich mir eine Reaktion gebt. Ihr müsst mir keine ewig langen Nachrichten schicken (oder gar anrufen).
Ich hab euch lieb.